In der Angst erleben wir uns oft „starr vor Angst“ oder wir ergreifen die Flucht oder fangen an zu kämpfen. Hinter der Angst steckt das Gefühl der Bedrohung. Diese Bedrohung kann real sein (Krieg, Krankheit, ein wildes Tier). Doch auch der schlichte Gedanke an eine mögliche Bedrohung kann bei uns Menschen bereits zu Angst führen. Wenn wir es schaffen unseren diffusen Ängsten voll ins Angesicht zu blicken, dann entspannen wir uns irgendwann. Wir merken das in dem Moment in dem uns der Angstgedanke überfällt und wir ihm direkt ins Angesicht blicken, eigentlich nichts passiert. Dann werden wir wieder weich, biegsam, anpassungsfähig. Genauso weich, biegsam, anpassungsfähig, wie zum Zeitpunkt unserer Geburt. Mit zunehmendem Alter nehmen Spannung, Härte, und Starre zu. Wenn wir sterben, dann erstarrt unser Körper sogar gänzlich. Wir werden unflexibel und stoßen immer schneller an unsere Grenzen: Der Nachbar, die Arbeitskollegin, die Kinder, der Partner – kurz- jeder der uns begegnet, ja das Leben selbst, wird zum „Feind“ erklärt. Wir fühlen uns von allem bedroht und beginnen unsere schwindenden Ressourcen mit „Schattenboxen“ zu verbrauchen. Da wird das „Nein“ der Arbeitskollegin zur Stellvertreterin meiner eigenen mangelhaften Selbstverantwortung, der Witz meines Partners über meine Verhaltensweisen zum Stellvertreter meines inneren Kritikers, die nächtliche, ungeplante Partylaune meiner Nachbarn zum Stellvertreter meiner eigenen Unfähigkeit mich dem Fluss des Lebens hinzugeben. Wir „boxen“ mit unseren „Schatten“, unseren verleugneten, ungeliebten Eigenschaften. Aber was wäre, wenn ich meine Selbstverantwortung ausdehnen, meinen inneren Kritiker weniger beachten und mich dem Leben selbst spontan mehr hingeben könnte? Würde ich nicht sofort mehr inneren „Spielraum“ gewinnen, flexibler und weicher werden? Einfach mehr Freude empfinden?
Der Gegenspieler der Angst scheint daher die (Aus)Dehnung zu sein. Zum einen den geistigen Spielraum dehnen, und daraus resultierend auch den eigenen Handlungsspielraum ausdehnen. Bleibe ich nicht so Handlungsfähiger im Raum, weil mein inneres Grenzgebiet weiter wird?
Wo kann ich meine Ausdehnung am Besten beginnen? Ich beginne praktisch mit dem Dehnen meines Körpers. denn ich weiß Körper und Geist gehören zusammen. Möglicherweise erschaffe ich mir zunächst körperlichen Spielraum, der mir dann auch geistigen Spielraum gewährt. Während des Dehnens spüre ich, wie meine Durchblutung steigt, Doch bei den Übungen zum Öffnen der Hüfte, nehme ich deutlich meine Abneigung wahr. Ein Gefühl von „Schwindel“ ergreift mich, welches in mir den Impuls aufzuhören auslöst. Ich lasse das Gefühl der Abneigung und des Schwindels zu, spüre das festhalten meiner Muskeln, reagiere jedoch einfach. Stattdessen eröffne ich mir einen inneren Raum, in dem ich diesen Gefühlen gestatte einfach „da“ zu sein. Schließlich ist mein Ziel die Ausdehnung, ich möchte wieder flexibel werden. Ich bleibe in meinem Entschluss und bleibe mit meinen unliebsamen Gefühlen. Dann lässt der Griff dieser Gefühle einfach nach, meine Muskeln geben nach und hören auf „festzuhalten“. Den Raum und die Zeit den ich meinen Gefühlen geschenkt habe, um einfach nur „da“ zu sein, haben mich einer besonderen Erfahrung belohnt. Es war die Erfahrung von Veränderung. Veränderung benötigt daher Raum und Zeit.
Nach einer Weile, bemerke ich wie meine wiedergewonnene Flexibilität mir bei der Bewegung meiner Gelenke und meiner Muskelkontrolle während meiner alltäglichen Aktivitäten behilflich ist. Ich komme viel weniger in Stress kann deutlich mehr körperlicher Belastung standhalten. Je mehr ich körperlich Bewältigen kann, desto mehr habe ich das Gefühl auch geistige Herausforderungen bewältigen zu können. Meine körperlichen Dehnübungen haben auf praktische Weise auch meinen geistigen Spielraum ausgedehnt. Den Raum und die Zeit für meine täglichen Dehnübungen, haben Raum für neue Handlungsmuster geschaffen. In diesem Zeit-Raum habe ich das Nach-Fühlen, hinein in meinen Körper gelernt. Ich erfahre mich und meinen Körper heute als viel präsenter und habe das Gefühl meinen Körper jetzt wirklich zu bewohnen, weil mein Bewusstsein keine Angst mehr vor Grenzen hat. Der Bewusste Wille kann nämlich Hüften öffnen, Muskeln lockern, Grenzen verschieben und Berge versetzen.
Flexibel, weich, formbar, wie ein Baby werden? Das ist das Geheimnis der Veränderung? Also einfach nur zurück zum Anfang. Irgendwie muss ich Lachen. Mein Lachen wird haltlos. Ich gebe mich dem Moment des ungezügelten Lachens hin. Und einfach so, lache ich meiner Angst ins Angesicht – und sie lacht mit.
